Ratgeber Woche 46
Bedenke das Ende
Hermann Hesse schreibt in Lebensstufen: "in jedem Anfang wohnt ein
Zauber inne". Kaum ein Dichter hat die gegenwärtig dominierende
Generation so verzaubert wie Hesse. Doch auch diese Generation beginnt
sich langsam zu verabschieden um den jüngeren eine komplizierte Welt
zu hinterlassen.
Das Ende verstehen
Doch auch im Ende wohnt ein Mysterium. Die Frage nach dem Wohin und was
bleibt nach dem Ende bewegt die Menschheit seit Beginn der Zeiten. Genau
genommen ist das Ende auch ein Anfang. Dies gilt zumindest für die
die zurückgeblieben sind. Die Lücke die beim Tod eines Menschen
entsteht, muss erst einmal gefüllt werden. Für den der scheidet
oder das Werk das zu Ende geht vollendet sich im Guten oder Schlechten
das was einmal begonnen.
Ändern oder Wandeln?
Die gegenwärtige Skorpionphase nähert sich ebenfalls ihrem Ende.
Die Frage nach dem Sinn des Kämpfens, Mühens und Durchstehen
bleibt. Wer möchte da schon neue Hoffnung aus etwas schöpfen
was noch nicht einmal am Horizont sichtbar wird? In diesen Fragen liegt
das tiefe Geheimnis der Skorpionphase verborgen. Genau wie die Raupe in
der Metamorphose nichts von ihrem späteren Zustand weiss und das
Holz noch nicht weiss, dass es eine Geige wird, befindet sich auch der
Mensch in seinem trübseligsten Zustand einerseits weit weg vom Licht
und doch ganz nahe.
Lebensmut als Geschenk
Der Selbstmörder der kurz vor seiner Verzweiflungstat den verloren
geglaubten Ball ein paar spielender Kinder über den Zaun zurückwirft
oder die verzweifelte Mutter die ihr schreiendes Kind nur noch loswerden
möchte, sind Menschen die die Tiefe der Skorpionphase voll und ganz
ausloten. Nach der erfolgten Umkehr erscheint das Leben auf eine ganz
neue Art. Man fühlt sich nach einer solchen Erfahrung lebendiger
und gereinigt. Unnötiger Ballast scheint wie abzufallen und das Leben
entfaltet sich vor einem in einer neuen wundersamen Art.
Leben durch Sterben
Nicht wenige haben diese metaphorischen Erfahrungen in Gruppentherapien
in den 80iger und 90iger Jahren voraus genommen. Genau genommen ist das
Eintauchen in das Ende überhaupt erst die Voraussetzung für
die Freiheit, dem eigenen Lebensplan wirklich treu zu sein. Wer am Anfang
das Ende bedenkt ist also kein Pessimist, sondern nur weise. Er bewahrt
sich zu dem noch die Würde und Freiheit, das was seine Zeit erfüllt
hat, zu verabschieden. Wer sich an Kontrolle über das eigene und
fremde Leben festhält, vergisst dass es noch etwas Grösseres
gibt dem wir nur nahe kommen, wenn wir uns ihm vertrauensvoll hingeben.
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